Sind Rußland, Alexander Dugin und dessen Radikales Subjekt der Katechon unserer Epoche?

Alexander Dugin

Für eine Kampfgemeinschaft Ultralinker und Ultrarechter gegen die drohende Weltherrschaft der Total-Objektivierung!

erschienen am 27.8.2022 auf Gegenstrom

Mein Vorwort zu Alexander Dugins gerade (Sommer 2022) erschienenem Buch „Eurasische Mission“ (1) nenne ich „Das Radikale Subjekt als Katechon“. Was meine ich damit? Ich schreibe dort: „Damit [mit Dugins Erhebung des Subjekts bzw. des Heideggerschen Daseins zu zentralen Inhalten und Begriffen seiner Vierten Politischen Theorie] ist der Weg nicht nur zur Erlösung im Makrobereich (das kollektive Subjekt) geöffnet, sondern auch im Mikrobereich (das individuelle Subjekt), denn das vollständige Dasein beendet die Entfremdung und bedeutet das hergestellte Selbstsein der Subjekte und die Aneignung bzw. die Ausfüllung der Person – und damit die Stärkung und Souveränisierung der Einzelnen und ihrer Kollektive gegen die globale Oligarchie. Dugins Radikales Subjekt wird dann zum Katechon.“

Ich setze in diesem Vorwort Dugins „Radikales Subjekt“ bzw. seine „tiefe Identität“ mit Max Stirners „Eigner“ quasi ins eins. Ist dies statthaft?

Radio Jerewan würde wie üblich auf diese Frage mit „im Prinzip ja“ antworten, das „aber“ ist nur ein Detail – das es wiederum in sich hat.

Dugin bekämpft die „objekt-orientierte Ontologie“. Das kann nur heißen: radikale Subjekt-Orientierung! Der einzige Unterschied, den es jetzt noch zu Stirner gibt, ist, daß Dugin die Subjekt-Orientierung im Rahmen einer Ontologie betreibt, währenddessen Stirner in post-philosophischer Manier die Ontologie zugunsten des Ón (des Daseins) zu unterwinden beginnt: mit seinem berühmten „Ruck“, der „mir die Dienste des sorglichsten Denkens tut“, mit seinem „Recken der Glieder“, das „die Qual der Gedanken abschüttelt“ und mit seinem „aufjauchzenden Juchhe“, das „jahrelange Lasten abwirft“.

Das Dasein wird also trans-intellektuell erreicht. Und dies aus einem sehr leicht nachvollziehbarem Grunde: Weil das Dasein im wesentlichen aus Nicht-Intellektuellem besteht. Hieran ist Heidegger gescheitert, der gegen die „Daseinsvergessenheit“ – weiter sorglichst andachte und sorglichst anschrieb.

Können Radikales Subjekt und Eigner in Individualität und Kollektivität tatsächlich das Absolute Böse der liberalistischen Unipolarität aufhalten? Ich denke: ja. Ich frage sogar: Müssen nicht die Radikalen Subjekte und die Eigner zu Katechonten werden?

Wie das? – Weil wir schon zu sehr korrupt sind. Auf einer Veranstaltung zu den Themen „Künstliche Intelligenz“, „Singularität“ usw. fragte Martin Sellner in das wohlgemerkt systemgegnerische Publikum hinein, wer sich gegen Gebrechen chippen lassen würde. Eine erstaunlich große Anzahl von Teilnehmern war so ehrlich und hob den Arm. Wenn wir noch ehrlicher sind, haben wir gar keine andere Wahl, als Radikale Subjekte zu werden, um den endgültigen Übergang vom Analogen ins Digitale zu verhindern. 

Dies kann nur ein Zwischenbericht sein. In andeutender Beantwortung der gestellten Fragen sollen folgende Zitate von Bernd A. Laska aus dessen Buch >“Katechon“ und „Anarch“. Carl Schmitts und Ernst Jüngers Reaktionen auf Max Stirner< (Nürnberg 1997, LSR-Verlag) dienen:

„Carl Schmitt wußte, daß Max Stirner – wie er selbst – entschiedener Gegner des liberalistischen Individualismus war (…), wußte, daß Max Stirner, der ideale Typ des Widersachers, zugleich der schärfste Gegner der widersacherischen Ideologien der Moderne war – wie er selbst (…), wußte, daß Max Stirner die von Paulus genannten komplementären Wesensmerkmale des Widersachers nicht trägt: Stirner setzt sich nicht an die Stelle Gottes, und er versteckt sich nicht hinter einer täuschenden Fassade. (…)

Carl Schmitt wählte sich in seinem (verkappten) Anti-Stirner ‚Der Wert des Staates und die Bedeutung des Einzelnen‘ (1914) allerdings nicht Stirner als Gegner, den er nicht einmal erwähnt, sondern den modernen Individualismus – allein Stirner vertritt keine individualistische Auffassung. (…) Als Katechon konnte er zwar vielen Gestalten des Widersachers begegnen, nie jedoch der stirner’schen Gestalt des Eigners.

Wer ist heute der Katechon? (…) Könnte nicht der Katechon auch einmal weder eine weltliche noch eine geistliche, sondern eine geistige Macht, ein einzelner Denker sein? Schmitt bezeichnete sich 1946 als ‚der letzte bewußte Vertreter des jus publicum Europaeum, sein letzter Lehrer und Forscher in einem existenziellen Sinne‘; er hat seine Position, bei allen situationsbedingten Wandlungen, von Beginn an stets als die eines einsamen Einzelkämpfers (gelegentlich mit dubiosen Verbündeten) gegen große, übermächtige Epochentendenzen gesehen. Sah er also vielleicht insgeheim sich selbst als den Katechon seiner Epoche? (…)

‚In diesem Augenblick‘, schreibt Schmitt im April 1947, am Tiefpunkt seines Lebens, ‚ist Max der Einzige, der mich in meiner Zelle besucht.‘ Schmitt gesteht Stirner auf einmal Außerordentliches zu. Er verdanke ihm seine souveräne Haltung gegenüber geistesgeschichtlichen Ereignissen, die ihn ’sonst vielleicht überrascht‘, sprich: überwältigt hätten. Er spricht, mit der unter dem Eindruck von Hiroschima wohl stärksten Metapher, von ‚gewissen Uran-Bergwerken der Geistesgeschichte‘ und nennt namentlich nur eins: Stirner, allerdings wiederum mit etwas bemühter Ironie als ‚armen Max‘. Der Wortzauberer Schmitt wird nahezu sprachlos, wenn er versucht, diese einzigartige Wertschätzung inhaltlich zu begründen: ‚Max weiß etwas sehr Wichtiges. Er weiß, daß das Ich kein Denkobjekt ist [nur subjekt-orientiert ón, sein kann, PT]. So hat er den schönsten, jedenfalls deutschesten Buchtitel der ganzen deutschen Literatur gefunden.‘ Die Vermutung liegt nahe, daß es in Wahrheit nicht der Buchtitel ist, dessentwegen Schmitt Stirner mit einem Superlativ belegen will.“

„Der Feind ist unsere eigene Frage als Gestalt.“ (Carl Schmitt) – Ist unsere eigene Frage nicht etwa nicht nur der Feind, sondern eher und sogar der Katechon?

Weiterführende Verweise:

Video-Reihe „Rekonstitution und Radikalisierung des nihilisierten Subjekts. Das Entstehen von Zugehörigkeit – die Entdeckung der Heimat. Zu Alexander Dugin: „Eurasische Mission“)

Die Text-Fassungen der Reihe samt Kommentare und Vorreden 

Der Katechon als Selbstbremse“ (Sleipnir 5/1999)

(1) Bestellung: https://www.compact-shop.de/shop/buecher/alexander-dugin-eurasische-mission/

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