Religiöse Ideologie und Gefühle. Eine Antwort an Iurie Roșca (10.08.2023)

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Iurie, du fragst mich, was ich von deinem Artikel „Der Mensch von heute zwischen Gott und dessen Affen“1 halte: Du sprichst mir aus der Seele. Alles, was Du kritisierst, kritisiere auch ich. Ich verabscheue und hasse aus tiefstem Herzen das, was du beschreibst. 

Ich empfinde dich immer wieder als einen starken Kämpfer für die Freiheit, für die Selbstverantwortung und die Würde des Menschen – eigentlich engagierter und radikaler als diejenigen, die sich diese Werte auf die Fahne schreiben, die Libertären. Ich habe diese Erfahrung schon manches mal in meinem Leben gemacht, wo Menschen, die sich nicht als Libertäre bezeichnen, eigentlich die wahren Libertären sind. Du bist durchdrungen von diesem libertären Geist, du verkörperst ihn authentisch. Du bist vom ganzen Habitus her ein wirklich freier Mann und Freiheitskämpfer. 

Du schreibst: „Ich gehe überhaupt nicht auf Distanz zu meinen Kameraden im metapolitischen Kampf, die ungläubig sind oder anderen Religionen anhängen. Im Gegenteil, ich habe allen Respekt und bin sicher, daß wir angesichts eines gemeinsamen Feindes unsere Kräfte über alle Unterschiede hinweg bündeln müssen“, worüber ich mich sehr freue. 

Ich will auch gar nicht auf unsere Unterschiede eingehen; ehrlich gesagt, interessiert mich das gar nicht, weil ich mit Dir von der Haltung, vom Gefühl her völlig übereinstimme, auch wenn ich ein agnostischer Anarchist bin. Du beschreibst kritisch den Zustand der möglicherweise zukünftigen den „planetaren Holocaust Überlebenden“ als „ohne jegliche Autonomie des Denkens und Handelns“ – das ist purer Anarchismus. Auch, wenn Du von der „Technologie als Mittel zur Entfremdung und Versklavung des Menschen“ sprichst.

Andererseits ist es aber auch notwendig, ein Bündnis von Menschen mit ganz verschiedener Weltanschauung zu schaffen, weil jede Gruppe für sich alleine sehr wahrscheinlich den Sieg über die Globalisten nicht erringen können wird. Und deswegen ist es – leider – dann doch auch wieder notwendig, dieses Bündnis zu thematisieren. Deswegen habe ich auch ein ganzes Buch darüber geschrieben, das demnächst erscheint und im Untertitel lautet: „Für ein thëistisch-agnostisches Bündnis im Kampf gegen Great Reset und Transhumanismus“. 

2

Aber Du setzt den gerade zitierten Absatz Deines Textes mit einem „aber“ fort (wie ich hier in diesem Absatz): „Aber ich fühle mich verpflichtet, auf die Schwäche unseres Lagers gegenüber unseren Feinden hinzuweisen. Sie haben ihren Herren gewählt – wir haben unseren zurückgewiesen“.

Es kann gut sein, daß wir schwach sind, weil wir keine richtigen Christen sind. Das kann ich nicht beurteilen, weil ich mich als Nicht-Christ gar nicht in diesem Gedankenschema aufhalte und dieser Gedanke zwangsläufig gar nicht in mir entstehen kann. Vielleicht hast Du recht, vielleicht nicht – ich kann es nicht wissen. 

Was ich aber sagen kann, ist, daß ich nicht „unseren Herrn zurückweise“, weil ich das – als nun einmal nicht christlich sozialisiert und kultiviert – gar nicht kann. 

Und was ich auch sagen kann, ist, daß es auch andere Gründe für die Schwäche unseres Lagers geben kann als „unseren Herrn zurückzuweisen“: Es gibt zahlreiche gute Christen, die nichts tun, aber ernsthaft glauben, sie würden etwas tun, indem sie glauben, die aber nicht einmal – wie Du schreibst – „offen beten“, worin ja tatsächlich eine Aktion liegen würde. Vielleicht stärken diese gläubigen Inaktiven ja, falls sie in ihrem stillen Kämmerlein tatsächlich beten, wenigstens ein positives „morphogenetisches Feld“ – auch das weiß ich nicht. Immerhin wirken sie jedenfalls nicht aktiv für den Satan (ja, ich benutze paradoxerweise diese Vokabel als Agnostiker), was heutzutage schon die Ausnahme ist, wenn man sich die Perversen in den Kirchen, wie z.B. in der Nürnberger Egidienkirche2, anschaut. 

Wie sich jemand in Bezug auf seine Ideen – also spirituell – bezeichnet, bedeutet so gut wie nichts. Christen können Satanisten sein – wie die in Nürnberg –, Anarchisten erst recht. Es geht allein um die Taten.

Wenn Du mich „auf unsere Schwäche hinweisen“ mußt und mich aufforderst, mich für „unseren Herrn“ zu entscheiden, dann versetzt du mich in eine unangenehme Lage: Ich würde sehr gern deinem Ruf folgen und, ja, ich kann das tatsächlich tun, denn wenn Christus für das steht, was Du darunter verstehst, nämlich Freiheit, Verantwortung, Würde und Autonomie, dann bin ich natürlich ein Christ (ohne es zu wissen). Wenn ich Dich als Libertären vereinnahme, dann vereinnahme mich auch als Christen. Aber ich befinde mich nun einmal nicht in dieser Ideenwelt (oder vielleicht doch, ohne es zu wissen – ich weiß es nicht). Und wenn ich Deinem Ruf nicht folgen kann, so nur, weil für mich die Ehrlichkeit einen hohen Stellenwert hat: Dir und unseren Kameraden gegenüber und mir selbst gegenüber. 

Was ich auch noch, unsere Schwäche betreffend, sagen kann und möchte, ist, daß ich es durchaus für möglich halte, daß wir, wenn wir, wie Du schreibst, nur „autonom sein und uns selbst genügen wollen“, dadurch nicht zwangsläufig schwach werden, wie du es empfindest, sondern daß darin auch eine Stärke liegen kann. Ein gewisser gesunder Egoismus kann auch eine gewisse Durchschlagskraft entwickeln, die vielleicht, um zu siegen, notwendig sein wird. 

3

Ich kann nur wiederholen: in den „Sachfragen“ stimme ich mit dir einhundertprozentig überein, und ich empfinde eine weltanschauliche Diskussion in unserem Lager nicht unbedingt notwendig. Wir kämpfen faktisch für dasselbe, und wir bekämpfen faktisch dasselbe. Aber vielleicht hast du recht und es ist ab und zu angebracht, daran zu erinnern – wie Du es in dem Text tust und wie ich es hier auch tue –, daß wir nicht „auf Distanz zu unseren Kameraden gehen, die ungläubig sind oder anderen Religionen anhängen“. 

Auch diese deine Worte, ich wiederhole sie, sind meine Worte: „Im Gegenteil, ich habe allen Respekt und bin sicher, daß wir angesichts eines gemeinsamen Feindes unsere Kräfte über alle Unterschiede hinweg bündeln müssen.“ 

Ich kann mit absoluter Überzeugung sagen: Deine Sache ist auch meine Sache. Ich habe vollstes Vertrauen in dich. Die Begründung (ideell, ideologisch oder rein gefühlsmäßig), warum wir gegen das kämpfen, was Du den Satan nennst (in welche Wortwahl ich dir folge), ist sekundär. Mich interessiert nicht, was, wenn Christen nach dem satanischen Spuk in Europa an die Macht kommen sollten, dann mit mir als agnostischem Anarchisten veranstalten: Das, was wir jetzt haben, muß weg. 

4

Ja, ich weiß, daß, wenn ich das Wort „Satan“ benutze, ich logischerweise auch „Gott“ benutzen müßte; darin liegt eine gewisse gedankliche Inkonsequenz oder Inkohärenz. Aber ich benutze ja tatsächlich auch das Wort „Gott“, wenn ich z.B. in bestimmten Situationen ausrufe „Oh Gott!“, ohne damit eine Ideologie oder Theologie zu verknüpfen.

Die Frage ist, ob diese Ideologie wirklich notwendig ist, oder ob nicht das kraftvolle Gefühl selbst, das hinter der Benutzung solcher Begriffe liegt, wichtiger ist als die Begriffe. Und wenn Du in Deinem Text zu dem Schluß kommst, daß unsere Analysen, Kommentare usw. nicht ausreichend sind und wir sie um einen christlichen Standpunkt und eine christliche Lebensauffassung erweitern müssen, dann kann Deine Sicht durch meine ergänzt werden: daß nämlich jenes „kraftvolle Gefühl“ und seine weitere Vertiefung auch unser Lager in seinem Kampf gegen den technokratischen Feind stärkt. 

Dieses Gefühl kann christlich symbolisiert werden, muß es aber nicht unbedingt. Es ist ein Gefühl, daß wir als wir selbst bestehen bleiben und nicht abgeschafft werden wollen (Konservatismus), woraus auch die Abscheu und der Haß gegen jene Verbrecher gespeist wird, die uns verändern, die unsere Kultur und unsere Völker zerstören wollen. 

Lucien Cerise meint in seinem Aufsatz „Gegen das Ende des Sinns. Einführung in den konservativen Materialismus“3 sicher auch dieses Gefühl, wenn er – etwas unglücklich in der Wortwahl – vom „Materiellen“ spricht und daß wir Konservative insofern auch eine gewisse „materialistische“ Haltung einnehmen sollten. 

Ich sehe darin, wenn Du Dich für eine christliche Lebensauffassung einsetzt, eine große Dringlichkeit und einen Appell zu Bereitschaft und Einsatz, was ich absolut teile. Ganz sicher müssen wir enorme Energien mobilisieren, um den Transhumanismus noch verhindern zu können.

Ich weiß, daß religiöse Ideologie und Symbolik mehr oder weniger identisch sind mit jenen Gefühlen und daß hinter ihnen eine große Kraft liegt. Die Anrufung von religiöser Ideologie und Symbolik kann enorme Energien entwickeln. Das ist es, worin die Stärke des religiösen Fundamentalismus liegt. 

Aber wisse, lieber Iurie: Viele, die nicht die christliche Ideologie und Symbolik teilen, werfen auch ihre Wut und ihre Liebe in die Waagschale. Ich weiß, daß Du mit ihnen im Bündnis bist. 

1 Iurie Roșca : Der Mensch von heute zwischen Gott und dessen Affen (08.08.2023): https://multipolaristen.de/religion/iurie-rosca-der-mensch-von-heute-zwischen-gott-und-dessen-affen-08-08-2023/, https://nouveau-monde.ca/lhomme-daujourdhui-entre-dieu-et-son-singe/, https://telegra.ph/Todays-man-between-God-and-His-monkey-08-08

2 https://www.tz.de/bayern/pornografie-in-der-kirche-riesen-wirbel-in-nuernberg-nach-homosexueller-ausstellung-eine-schande-92423709.html

3 https://multipolaristen.de/lucien-cerise-gegen-das-ende-des-sinns-einfuehrung-in-den-konservativen-materialismus-14-07-2023/, https://www.egaliteetreconciliation.fr/En-reaction-Lucien-Cerise-repond-aux-citations-d-Arthur-Sapaudia-73044.html

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